Erinnerungen zum "Objekt 5" Teil 2 - Die Feten
Wenn man in seine Studienzeit zurückgeht, so sind neben der Arbeit - die man ja auch zu erledigen hatte, und wenn man die ernst nahm, hatte man in der Regel bis spät nachts zu tun, die Belege waren ja meist handwerklich zu erstellen bzw. sichtbar zu Papier zu bringen - vor allem die Feste/Feten eine bleibende Erinnerung. Die „Burg” war ja ohnehin dank ihres Faschings und der schönen Sommerfeste unter Insidern in Halle beliebt. Die kleineren Feten fanden denn auch bei uns Studenten statt, sofern man räumliche Voraus- setzungen dazu und keine mißgünstigen Nachbarn hatte. Auch im „Objekt 5” war man diesbezüglich nicht eben prüde. Ein Jahr bot viele Anlässe, große geplante und kleine spontane zum Feiern; man hatte optimale Voraussetzungen und die Burgnähe dazu. Ich erinnere mich besonders an einige Feten mit ganz markanten Ereignissen:
Es war wohl im Februar 1966; der Anlaß war mein 25. Geburtstag, den wir im kleinen Männerkreis begingen. Glühwein hergestellt aus der Marke „Ödenburger”, die Flasche zu 3,50 Mark, mit reichlich Gewürz (Zimtstangen, Nelken, Kardamom), Schwarztee, Zitrone und Zucker, brachte uns winterlich warm in Stimmung. Zur Gitarre wurden denn auch fröhliche Lieder gesungen, in vorgerückter Stunde wurde uns jedoch das Defizit weiblicher Anwesender bewußt. Dem Mangel sollte abgeholfen werden, indem wir den im gegenüber liegenden Internat („Gelbe Minna”) konzentrierten Studentinnen des ersten Studienjahres, die wir auch noch nicht kannten, ein Ständchen zu bringen gedachten. Gesag getan, schon erklang süßer Minnegesang in vollem Chorus (dessen waren wir dank häufigen Trainings geübt; Ausführende waren die Herren „Wasja” Götze git., voc./M. Schulze git., voc., den Background bildeten „Stahlarm” Heuwinkel, der „Lange” Schmidt sowie der Objektbewohner J. Klepka) unter den Fenstern der Damen. Die wußten solche Kunst jedoch offensichtlich nicht recht zu würdigen, selbst als wir wegen der höheren Wirksamkeit auf einen Hänger mit Bauschutt stiegen, um näher bei ihnen zu sein. Sie lugten vorsichtig hinter den Fenstern des hochgelegenen Geschoß, um die Gardinen dann vollends zuzuziehen und die Haustür abzuschließen.
Nunmehr war ich es, der mit schwerem Rotweinschädel durch die Gardinen lugte und erstarrte ob der signalroten Gebäudegrafik (Graffiti war damals noch nicht als Gestaltungsmittel etabliert). Das Rot quoll förmlich aus den Fenstern und war an der Fassade herabströmend erstarrt. Davor standen namhafte Persönlichkeiten der Hochschule und Polizisten in heller Erregung; es war offensichtlich kein roter Feiertag, an dem solches nicht so auffällig gewesen wäre. Irgend jemand fotografierte - vielleicht wurde es für die Firma archiviert?
Die Damen waren inzwischen bereits befreit worden. Ich hatte das Bedürfnis nach der Toilette im Erdgeschoß. Auf dem Weg dorthin stellte ich mit Erschrecken fest, daß eine zinnoberrote Kleckerspur über den Hof ins Haus und die Treppe hinauf verräterisch bis an die Zimmertür führte. Ja, selbst meine Hände und Hosen verrieten mich. Das mußte umgehend mit Schrubber und Seifenlauge beseitigt werden. Ich taumelte dann zurück ins Bett und zog die Decke über'n Kopf, auch nicht mehr auf Stimmen und Klopfen an der Tür reagierend.
Gegen Mittag hatte sich der Trubel draußen gelegt, und ich betrachtete das Ergebnis nächtlichen Tuns bei Tageslicht: „Menstruation” wäre der geeignete Titel für das Werk gewesen, das offenbar auf wenig Verständnis hoffen durfte. Erst in der Dämmerung wagte ich mich gemeinsam mit dem herbeigerufenen „Stahlarm” daran, die optische Wirkung der Fassaden- gestaltung an der „Gelben Minna” zu mildern. Wegwaschen ließ es sich, bereits in den Putz eingezogen, nicht; aber mit einer Dreckbrühe und Schrubbern konnten wir das leuchtende Rot in ein rötlich-braunes Grau verwischen. Die Fenster hatten die Insassinnen inzwischen selbst abgewaschen. Wir zeigten, noch immer in Katerstimmung ,tiefe Reue, und man verzieh uns offenbar.
Ein Nachspiel war ein ernstes Gespräch mit dem Prorektor für Studienan- gelegenheiten, aber das gehört nicht mehr hierher.
Bis zum Abriß des Hauses blieb die Erinnerung an unsere verschmähten Balladen und deren Folgen sichtbar.